Design Tip

Das Teiledesign mit einheitlichen Wandstärken verbessern

So erhalten Sie einheitliche Wände und Merkmale durch geringfügige Anpassungen von Geometrie und Werkstoffen

 

Wenn Sie sich einmal einen spritzgegossenen Zahnbürstenhalter, einen Benzinkanister oder den Besteckkasten im Küchenschrank anschauen, werden Sie feststellen, dass die Wände dieser Haushaltsartikel relativ einheitlich sind. Wird diese grundlegende Regel beim Kunststoffspritzguss ignoriert, können Einfallstellen, Verformungen und ungenaue oder nicht funktionsfähige Teile die Folge sein. Die funktionellen Anforderungen von  Verbrauchsgütern und Produkten in den Bereichen Medizin, Luft- und Raumfahrt und Industrie lassen Designern oft wenig Raum, um über den Materialfluss und die Einfülleigenschaften von Kunststoff nachzudenken, die zumindest teilweise mit der Wandstärke zu tun haben.  

Beginnen wir mit den Grundlagen für eine einheitliche Wandstärke:

Die richtige Wandstärke verringert das Risiko kosmetischer Fehler bei Kunststoffteilen
Die richtige Wandstärke verringert das Risiko kosmetischer Fehler bei Kunststoffteilen

Beginnen wir mit den Grundlagen für eine einheitliche Wandstärke:

  • Die Wandstärke sollte bei keinem Spritzgussteil weniger als 40 bis 60 Prozent der Stärke benachbarter Wände betragen und innerhalb der empfohlenen Dickenbereiche für den ausgewählten Werkstoff liegen.
  • Unabhängig von der Wandstärke sollten Teilegeometrien, wie lange, ungestützte Spannweiten, scharfe Innenecken und schlecht konzipierte Verstärkungen, vermieden werden.
  • Verwenden Sie bei Bedarf Rippen, um hohe Wände zu verstärken.
Verwenden Sie Versteifungen, um hohe Wände bei Bedarf zu stärken
Verwenden Sie Versteifungen, um hohe Wände bei Bedarf zu stärken
  • Scharfe Außenecken sind zwar in Ordnung, durch einen Radius an den Innenecken – sofern es das Teiledesign zulässt – werden sie jedoch robuster und die für Verformungen verantwortlichen Spannungen fallen geringer aus.
  • Verstärkungen sollten den Regeln für das Spritzgussdesign folgen, wonach Wände 40-60 Prozent so dick sein sollten wie der umliegende Bereich, um Einfallstellen zu vermeiden.
  • Schließlich sollten Sie die Empfehlungen zur Formschräge beachten – als Faustregel gilt 1 Grad Formschräge pro 25 mm Hohlraumtiefe – und für das gesamte Werkstück eine einheitliche Formschräge verwenden, um Eigenspannungen zu verhindern, die zum Verformen und Zusammenrollen des Teils führen.

 

Bei der Werkstoffauswahl die Wandstärke berücksichtigen

Eine der wichtigsten Überlegungen bei der Wandstärke betrifft den Werkstoff, den Sie für Ihr Projekt verwenden. Bei einer Auswahl aus hunderten von Werkstoffen kann es eine Herausforderungen darstellen, sich für den richtigen zu entscheiden. Die verfügbaren Kunststoffe, angeordnet nach Produktfamilie, mit empfohlenen Wandstärkenbereichen sowie detaillierten Informationen zu Werkstoffeigenschaften, Zugfestigkeit, Schlagzähigkeit sowie maximalen Betriebstemperaturen, können Sie online einsehen. Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Materialseite.

Kunststoff mm
ABS 1,143 - 3,556
Acetal 0,762 - 3,048
Acryl 0,635 - 3,810
Flüssigkristall-Polymere 0,762 - 3,048
Lanfaserige verstärkte Kunststoffe 1,905 - 25,40
Nylon 0,762 - 2,921
Polycarbonat 1,016 - 3,180
Polyester 0,635 - 3,175
Polyethylen 0,762 - 5,080
Polyphenylenesulfid 0,508 - 4,572
Polypropylen 0,635 - 3,810
Polystyrol 0,889 - 3,810
Polyurethan 2,032 - 19,05

Wandstärkeempfehlungen nach Kunststofftyp.

Überlegen Sie sich zunächst, welche Eigenschaften für das fertige Produkt am wichtigsten sind:

  • Muss es beständig gegenüber Chemikalien oder UV-Licht sein?
  • Wird der Kunststoff unmittelbarer Flammeneinwirkung oder extremen Temperaturen ausgesetzt sein?
  • Wie robust muss das Teil sein? Muss es sich unter Belastung biegen?
  • Wenn die Farbe wichtig ist, kann der Kunststoff lackiert werden oder können vor dem Einspritzen Farbmittel zum Kunststoff hinzugefügt werden?
  • Wie sieht es mit der Lichtundurchlässigkeit aus? Einige Kunststoffe haben gute, andere weniger gute optische Eigenschaften.
  • Wird das Produkt in einer elektromagnetischen Umgebung verwendet?

Beachten Sie beim Abwägen all dieser Faktoren den Abschnitt zur Wandstärke auf unserer Website. Natürlich eignen sich Werkstoffe nur dann, wenn sie in den Abmessungen und der Geometrie spritzgegossen werden können, die Sie für Ihr Projekt benötigen, und dabei trotzdem ihre technischen Anforderungen erfüllen. Bevor Sie sich endgültig für einen Werkstoff entscheiden, sprechen Sie mit einem unserer technischen Kundendienstmitarbeiter. Diese können Sie direkt beraten oder den Kontakt zu einem Experten bei einem unserer Werkstofflieferanten herstellen.

Nylon 6/6 beispielsweise besitzt gute Fließeigenschaften, eignet sich gut für dünnwandige Teile und hat eine hervorragende Schlagzähigkeit. Wegen seiner nur durchschnittlichen Festigkeit und fehlenden Hitzebeständigkeit hätten Sie sich jedoch möglicherweise dagegen entschieden. Durch Hinzufügen eines Glasfaser-Füllstoffs wird das Nylon nicht nur deutlich robuster, sondern auch weitaus hitzebeständiger. Das Glas reduziert außerdem die Gefahr von Einfallstellen in dicken Abschnitten, kann jedoch je nach Materialfluss während des Spritzgussprozesses zu Verformungen in dünnen Bereichen führen.

Beispiel eines optimalen LSR Teiles
Beispiel eines optimalen LSR Teiles

In manchen Fällen kann Ihre Suche zu einer völlig anderen Werkstofffamilie führen:

  • Polycarbonat kommt häufig bei optischen Bauteilen zum Einsatz, bei dicken Teilen ist jedoch oft Acryl die bessere Wahl, da es weniger anfällig für Einfallstellen, Lunker, Blasen und schlechte Teiledetails ist.
  • Optisch klares Flüssigsilikon (LSR) bietet eine hohe Lichtdurchlässigkeit und Klarheit des Produkts und erlaubt Designern, sich selbst bei sehr feinen Teilemerkmalen über die Regeln für dicke und dünne Merkmale hinwegzusetzen.
  • Ein styrolähnlicher Werkstoff, bekannt als K-Resin, ist bei großen strukturellen Komponenten oft ein guter Ersatz für ABS oder Polycarbonat.
  • Flüssigkristallpolymer (LCP) ist ein weiterer glasfaserverstärkter Werkstoff, der einerseits robust ist und sich andererseits auch für dünne Bereiche eignet.

Wie gesagt, es gibt hunderte von Werkstoffen und tausende von Arten, sie anzupassen, zu mischen oder zu optimieren, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.

 

Mit klugen Kniffen zu verstärkten Wänden

Verzweifeln Sie nicht, wenn Sie nicht die richtige Kombination an Werkstoffeigenschaften finden. Geschickte Bearbeitungen können dazu beitragen, dass auf eine nicht optimale Wandstärke zurückzuführende Eigenspannungen und potenzielle Schwachstellen geringer ausfallen. Hantel- oder nähgarnspulenförmige Teile eignen sich perfekt zum Freilegen des Kerns. Dabei fallen ähnlich wie beim Entfernen keilförmiger Schnitze von einem Apfel große Materialquerschnitte weg, während der robuste Kern bestehen bleibt. Auf diese Weise lassen sich Einfallstellen vermeiden, der Materialverbrauch reduzieren und leichtere, jedoch ebenso robuste (und möglicherweise noch robustere) Teile erzielen. Teile wie Dosendeckel mit hohen und dünnen Wänden können mit Versteifungen verstärkt werden, solange für die entsprechende Wandstärke des verstärkenden Werkstoffs die oben genannten 40-bis-60-Prozent-Regel eingehalten wird. Dadurch wird außerdem das Risiko von Schattenbildungen beseitigt, die auftreten, wenn ein Abschnitt des Teils schneller abkühlt als andere.

 

"Design for Manufacturability" (DFM)-Analyse gibt feedback

Nachdem Sie das Angebot für Ihr Teil erhalten haben, sollten Sie die beiliegende "Design for Manufacturability"(DFM-)Analyse durchsehen. Sie enthält Feedback, anhand dessen Sie die Formbarkeit Ihres Teils verbessern können. Besonders dicke oder dünne Abschnitte werden auf der Grundlage der nominalen Wandstärke farblich dargestellt. Darüber hinaus erhalten Sie Vorschläge, wie Sie die Formschräge verändern können. Trennebenen, Auswerferstift- und Angusspositionen, Hinterschneidungen, Seitenschieber und die Notwendigkeit von manuellen Einsätzen werden ebenfalls angezeigt. Falls notwendig, kann eine Einspritzanalyse durchgeführt werden, um die Druckpunkte um die Angussbereiche zu analysieren und potenzielle Bindenähte zu identifizieren. Wie immer stehen wir Ihnen bei Rückfragen oder Bedenken unter der Rufnummer +49 (0) 89 905002 22 oder per E-Mail an [email protected] zur Verfügung.